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DiscorsoPubblicato il 17 novembre 2025

Discorso del consigliere federale presso «Avenir Suisse»

Berna, 17.11.2025 — Discorso del consigliere federale Martin Pfister, capo del Dipartimento federale della difesa, della protezione della popolazione e dello sport (DDPS), in occasione del 25° anniversario di Avenir Suisse, Zurigo, 13 novembre 2025.

Fa fede la versione orale

Sehr geehrter Herr Stiftungsratspräsident Michel M. Liès
Sehr geehrter Herr Direktor Jürg Müller
Geschätzte Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien und Verwaltung
Verehrte Damen und Herren

Zu Ihrem 25-Jahr-Jubiläum gratuliere ich Ihnen auch im Namen des Bundesrats ganz herzlich. Ich danke Ihnen für Ihre wichtige Arbeit und Ihr Engagement für unser Land.

Sie orientieren sich seit Ihrer Gründung – soweit ich das überblicken kann – an einem Wertekompass, der die Freiheit von Individuen und der Wirtschaft in einer offenen Gesellschaft ins Zentrum rückt und dabei grundsätzlich Vertrauen in die Menschen hat. Sie wissen aber immer auch, dass diese Freiheit von Rahmenbedingungen abhängig ist, die letztlich nur der Staat garantieren kann. Und auch diese Garantie kann der Staat nur beschränkt sichern, wenn nicht Bürgerinnen und Bürger von sich aus vernünftig handeln.

Ihr rationaler Zugang zu wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Themen ist darum besonders wichtig in einer politischen Welt, die häufig mehr die Aufmerksamkeit und die Abgrenzung sucht als eine rationale und gleichzeitig massvolle Auseinandersetzung mit den Realitäten. Die reale Welt scheuen Gesellschaft und Politik zuweilen wie der Teufel das Weihwasser, obwohl die Beschäftigung mit der realen Welt eigentlich ihre Hauptaufgabe ist. Avenir Suisse setzt deshalb einen wertvollen Kontrapunkt, der für die Harmonie der politischen Musik wichtig ist. Mein besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Unternehmen und Privatpersonen, welche die Arbeit von Avenir Suisse finanzieren.

Sie sagen, wie wir in der Eröffnungsrede von Direktor Jürg Müller gehört haben: «Wer die Schweiz liebt, stört sie!» Ich könnte hinzufügen: «Wer die Schweiz stört, stärkt sie!» - und damit wären beim Thema Ihrer Jubiläumsveranstaltung, der Antifragilität. Arnold Schwarzeneggers bekannter Spruch «No pain, no gain» ist zwar physiologisch falsch, er drückt aber aus, dass in jeder Anstrengung die Chance steckt, stärker zu werden. Das gilt nicht nur für die Oberarme von Sportlern, sondern auch für Länder, Wirtschaft und Gesellschaft.

«Wer die Schweiz liebt, stört sie!» - das ist eigentlich auch mein Thema. Wenn ich in den kommenden Minuten über die Schweizer Sicherheitspolitik spreche, dann muss ich Sie stören, denn es verändert sich im Moment Fundamentales, das wir nur wahrnehmen können, wenn wir uns in unserer beschaulichen Schweizer Situation stören lassen. Oder wie es der NZZ-Redaktor Peter A. Fischer kürzlich mit Bezug auf die USA ausgedrückt hat: «Donald Trump beschleunigt die Entwicklungen, die die Welt verändern. Nur die Schweizer sind offenbar der Ansicht, sie könnten sich diesen Veränderungen entziehen. Doch das geht an die Substanz.» Ich muss Sie deshalb in den nächsten Minuten stören.

Lassen Sie mich gerade zu Beginn feststellen, dass die Veränderungen, denen die Welt und damit auch Europa und die Schweiz ausgesetzt sind, ausserordentlich weitreichend sind. Die sicherheitspolitischen Verwerfungen sind jedoch mehr ein Symptom als die Ursache des geopolitischen Bruchs, den wir im Moment beobachten. Beispielhaft weise ich Sie auf drei generelle Entwicklungen hin, die sicherheitspolitisch relevant sind:

Erstens verändern die technologischen Entwicklungen, wie etwa die künstliche Intelligenz, Quantencomputing und Roboter die Welt fundamental. Damit verbunden ist die zentrale Bedeutung von Daten, welche die Güter ablöst, auch bei der Wertschöpfung.

Zweitens nimmt geopolitisch die Beherrschung von Infrastrukturen wie Glasfaserkabeln und Satellitentechnologie und der Besitz von Rohstoffen eine zunehmend wichtige Rolle ein. Der Zugriff auf diese Infrastrukturen und Rohstoffe, die über Jahrzehnte weitgehend frei zugänglich waren, wird immer mehr auch machtpolitisch instrumentalisiert.

Drittens: Staatliche Aufgaben werden immer häufiger von Unternehmen wahrgenommen und gleichzeitig verschränken sich Unternehmen immer stärker mit staatlicher Macht und Einflussnahme.

Ich komme nun auf den Wandel der sicherheitspolitischen Situation zu sprechen, der sich unter anderem aus diesen generellen Entwicklungen ableitet. Ich plädiere auch diesbezüglich dafür, die aktuelle Situation als eine radikale Beschleunigung der Veränderung zu verstehen, welche Politik und Gesellschaft sehr ernst nehmen müssen.

Ich fasse diese sicherheitspolitische Zäsur in fünf Punkten zusammen:

Erstens: Die demokratisch verfasste Welt ist durch autoritäre und autokratische Systeme unter Druck gesetzt. Es geht um den Wettbewerb zwischen einer multilataralen Welt weitgehend demokratisch verfasster Staaten und einer in Einflusssphären aufgeteilten multipolaren Welt. Die demokratischen Länder stehen auch innenpolitisch immer mehr unter Druck, durch polarisierte Gesellschaften oder auch durch aktive Einflussversuche von aussen. Sicherheitspolitisch kann ein möglicher Gegner sein Ziel bereits erreicht haben, wenn Verwirrung gestiftet, die Deutungshoheit über gesellschaftliche und politische Fragen verändert oder wirtschaftlich und gesellschaftlich Schaden angerichtet ist. Ein moderner Krieg muss nicht mit den klassischen Mitteln militärischer Konfrontation geführt werden. Hybride Konfliktführung wie Cyberangriffe, Beeinflussungsaktivitäten, Desinformation, Spionage, Sabotage, wirtschaftliche Druckausübung und Erpressung und militärische Sonderoperationen reichen oft aus. Dieser Krieg findet bereits heute in Europa und auch in der Schweiz statt. Die wichtigsten staatlichen Akteure sind Russland und China.

Zweitens: Die sogenannte regelbasierte Welt der Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg erodiert. Völkerrecht und internationale Organisationen nehmen an Bedeutung ab - beziehungsweise, sie werden zunehmend offen ignoriert. Das ist für die Schweiz als Kleinstaat, der auf die Einhaltung solcher Regeln angewiesen ist, ein Problem. Der Einsatz von militärischen Mitteln ist normal geworden, fast überall auf der Welt. Wir dürfen den Nachahmungseffekt nicht unterschätzen, wenn politische Ziele zunehmend wieder mit Gewalt durchgesetzt werden.

Drittens: Im Moment findet weltweit eine enorme Aufrüstung statt. Allein der Aufbau der sicherheitsrelevanten Industrie, welche nach diesem Investitionszyklus nicht einfach herunterzufahren ist und die gewaltigen Lager an Material und Munition werden die sicherheitspolitischen Risiken nachhaltig erhöhen.Dazu kommt die enorme technologische Entwicklung, wofür der Ukrainekrieg ein eigentlicher Booster ist. Das moderne Gefechtsfeld hat sich grundlegend verändert. Als Beispiele sind hier Drohnen, Roboter, Cyberkrieg zu nennen. Zudem verdrängen staatliche Investitionen in Verteidigung und Sicherheit Investitionen in andere Bereiche wie Bildung, Infrastrukturen oder Soziales, was Gesellschaften potentiell anfälliger für innere Konflikte macht.

Viertens: Die Rolle der USA für Europas Sicherheit verändert sich. Der Amtsantritt der neuen US-Regierung im Januar 2025 hat die Umbrüche in den internationalen Beziehungen weiter beschleunigt. Die USA richten ihre Wirtschafts-, Aussen- und Sicherheitspolitik teilweise neu aus. In der Folge ist in Europa die Überzeugung gewachsen, dass man sich eigenständiger verteidigen und Völkerrecht, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie schützen muss. Die europäischen Länder organisieren sich in einer Vielzahl von sicherheits- und verteidigungspolitischen Initiativen neu.

Fünftens: Europa befindet sich heute in einem Krieg, in der Ukraine, aber hybrid auch in anderen europäischen Ländern und in der Schweiz. Der Krieg in der Ukraine steht einem nur zum Teil vorbereiteten Europa gegenüber. Die Bedrohungen sind grenzüberschreitend. Die Schweiz wäre in allen Fällen einer Eskalation der europäischen Sicherheit mit betroffen.

Fazit: Es besteht in Europa ein grosses Kriegspotential. Dieses setzt sich zusammen aus einem grossen Reservoir militärischer Mittel auf Seiten Russlands, das in den nächsten Jahren einem nicht vollständig entschlossenen Westen und einen Westen, der militärisch noch ungenügend vorbereitet ist gegenübersteht.

Wir kennen die militärischen Absichten nicht, auch nicht die Opportunitäten, die sich in den nächsten Jahren bieten. Aber, wer sich für alle Bedrohungen vorbereitet, der ist im Vorteil, wenn sie eintreffen. Und es ist klar, dass militärische Vorbeitung viel Zeit braucht. Deshalb sollten wir keine Zeit verlieren.

Wir machen vieles bereits gut:

Die Armee ist nach wie vor nach dem Milizprinzip organisiert, wofür uns andere Länder beneiden. Viele motivierte junge Menschen werden in der Armee ausgezeichnet ausgebildet und leisten einen hervorragenden Einsatz. Die Armee konnte in den letzten Jahren alle Einsätze zur Zufriedenheit erfüllen, auch dank fähigem Berufspersonal.

In der Cybersicherheit haben wir mit dem Bundesamt für Cybersicherheit eine wichtige Institution geschaffen, welche diese Risiken zusammen mit vielen Partnern in Wirtschaft, Wissenschaft und Behörden zielgerichtet angeht.

Die kantonalen Polizeikorps und die Strafverfolgung gewährleisten mit beschränkten Mitteln die Innere Sicherheit auf hohem Niveau.

Auch der Bundesrat und das Eidgenössischen Parlament haben erkannt, dass die Sicherheit mehr Mittel benötigt. Mit dem Ziel, bis 2032 1% des BIP für die Verteidigung auszugeben, wurde ein wichtiger Entscheidzur Stärkung unserer Sicherheit getroffen.

Aber es braucht deutlich mehr, wenn wir bereit sein wollen.

Damit wir das, was wir in den nächsten Jahren tun, systematisch angehen, legt der Bundesrat der Öffentlichkeit in Kürze eine sicherheitspolitische Strategie vor. Sicherheitspolitik wird darin umfassend beschrieben, weil ein Krieg von heute nicht an einem Tag beginnt und an einem anderen endet.

Als Vorsteher des VBS ist es meine Verantwortung und Pflicht, die Armee so aufzustellen, dass sie der heutigen Bedrohungslage wirksam begegnen kann. In der beschriebenen zunehmend instabilen geopolitischen Lage müssen die bestehende Fähigkeitslücken rasch geschlossen werden. Einerseits mangelt es an Munition, Systemen und Ausrüstung. Hier sind wir daran, diesen mit den aktuell laufenden Rüstungsbeschaffungen aufzuholen. Dazu gehören etwa die Beschaffung einer umfassenden Luftabwehr mit F-35-Kampfflugzeugen, Luftabwehrsystemen längerer, mittlerer und kürzerer Distanz oder Drohnenabwehrsystemen.

In der extrem dynamischen technologischen Entwicklung müssen wir bei den Beschaffungen und Rüstungsgütern zudem agiler werden. Dies zeigt sich exemplarisch im Kommando Cyber, mit hochkompetenten Milizsoldatinnen und Soldaten und Profis mit und ohne Uniform, die sich mit allen Aspekten der digitalen Verteidigung befassen. Oder dem Beschaffungszentrum Drohnen und Robotik von Armasuisse, das eng mit der Armee, der Wissenschaft und mit Startups zusammenarbeitet. Am 1. Januar 2026 nimmt das Weltraumkommando der Armee seinen Betrieb auf. Auch damit reagieren wir auf moderne Bedrohungen.

Weil wir nicht wissen, wie sich der Krieg entwickelt und Beschaffungen von grossem Kriegsmaterial lange dauert, müssen wir uns nicht nur auf die wahrscheinlichste, sondern auch auf die gefährlichste Bedrohung vorbereiten. Dazu gehören nach wie vor auch schwere militärische Mittel, auch wenn deren Einsatz im Moment nur schwer vorstellbar ist. Eine Lehre aus der Ukraine ist es zweifellos, dass die Kombination der Mittel Jahrzehnte der Entwicklung übergreift. Das Sturmgewehr, der Schützengraben des Ersten Weltkriegs bleiben ebenso präsent wie die Panzer und die Artillerie des Zweiten und die Drohnen des 21. Jahrhunderts. Auch militärisch gilt der Ausdruck des deutschen Philosophen Ernst Bloch, der «Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen».

Geschätzte Damen und Herren

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur internationalen Kooperation sagen, die auch für eine Schweiz, die zu ihrer Neutralität steht, unverzichtbar ist. Unsere Antworten auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen müssen heute genauso grenzüberschreitend sein wie die Bedrohungen selbst. Die Wahrung unserer Freiheit gelingt nur im Miteinander, nicht im Alleingang. Wir sind umgeben von Ländern, welche unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Werte teilen. Als Land im Herzen Europas sind wir auf gute Beziehungen mit unseren Nachbarn angewiesen. Wer die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz stärken will, muss deshalb auch die internationale Kooperation intensivieren.

Die internationale Zusammenarbeit verschafft der Schweiz sicherheitspolitische Handlungsfreiheit. In der Kooperation mit Partnern haben wir die Möglichkeit, unsere eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Wenn wir Informationen austauschen, wissen wir mehr. Wenn wir zusammen trainieren, können wir mehr. Wenn wir – auf Grundlage einer eigenen politischen Entscheidung – im Einsatzfall mit unseren Partnern kooperieren, haben wir mehr Aussicht auf Erfolg.

Der Bundesrat will deshalb die internationale Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik mit unseren Nachbarländern und weiteren Partnern intensivieren. Informations- und Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Ausbildung sind gelebte Realität seit vielen Jahren. Aber es besteht ein Spielraum, den es zugunsten der Weiterentwicklung unserer Armee zu nutzen gilt.

Sehr geehrte Damen und Herren

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die aktuelle Sicherheitslage und die geopolitischen Veränderung zwingen uns, uns nach Jahrzehnten einer vermeintlich sicheren Weltordnung wieder mit Szenarien auseinandersetzen, die wir nicht mehr für möglich hielten. Der russische Angriff auf die Ukraine hat die Vorstellung einer dauerhaften Friedensordnung in Europa zerstört und die europäische Sicherheitsordnung grundlegend verändert. Darauf muss die Schweiz reagieren, indem wir:

  • Antworten auf die ganze Palette von Risiken finden und insbesondere unsere demokratische Reslienz stärken;
  • Die Verteidigungs- und Abwehrfähigkeiten der Schweiz verbessern.
  • Die internationale Kooperation intensivieren.

Als neutraler Staat hat die Schweiz weiterhin den Anspruch, sich selbst zu verteidigen, statt einer Militärallianz beizutreten. Die Schweiz muss über eine moderne, gut ausgerüstete und verteidigungsfähige Armee verfügen.

Doch es ist noch ein weiter Weg zu gehen. Wir brauchen aber jetzt schnell auf gesellschaftlicher und politischer Ebene ein gemeinsames Verständnis, wie wir uns den sicherheitpolitischen Herausforderungen stellen.

Und denken wir daran, entscheidend ist nicht, gegen wen wir uns verteidigen, sondern was wir verteidigen. Es geht um den Erhalt unserer demokratischen Freiheiten und unserer Rechtstaatlichkeit, die Sicherung unserer wirtschaflichen Lebensgrundlagen und um unsere individuelle Integrität. Alle Bemühungen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik müssen deshalb immer diesem Ziel dienen.

Falls Sie sich durch meine etwas besorgten Ausführungen stören liessen, dann war dies durchaus gewollt. Ich danke Avenir Suisse, wenn Sie uns auch in den nächsten 25 Jahren stören werden, klug, massvoll, an den Realitäten und an der Freiheit orientiert.

Und – das sei zum Schluss noch gesagt – tun wir alles, was wir tun, mit einer grossen Potion Optimismus und Hoffnung darauf, dass die Schweiz besser wird, wenn wir uns für eine gute Schweiz bemühen. Wenn wir Schwierigkeiten gut meistern, werden wir stärker dabei, persönlich, aber auch als Land. Deshalb bin ich auch so motiviert, als Verteidigungsminister alles in meiner Macht zu tun, dass wir erfolgreich sein werden. Deshalb braucht es auch Ihre Störungen. Man gründet nur ein Unternehmen oder eine Familie und man setzt sich nur für das Land ein, wenn man an eine bessere Zukunft glaubt. Wer, wenn nicht Ihre Organisation, welche die Zukunft im Namen trägt, kann dies besser.

Besten Dank.